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Hier meine Reaktion per eMail auf die Einordnung von Salvia divinorum unter das Arzneimittelgesetz (AMG) am 16.Mai 2006:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großem Interesse habe ich die Ergebnisse der
Sitzung des Sachverständigen-Ausschuss für Apothekenpflicht vom
16.05.2006 verfolgt. Mich hat vor allem der Tagungsordnungspunkt 5,
der Antrag des BfArM auf Unterstellung von Salvia divinorum unter
die Apothekenpflicht, interessiert.
Zu meinem Hintergrund:
Ich beschäftige und informiere mich seit 1998 über diese psychoaktive
Pflanze. Durch sehr viele Selbstversuche (inzwischen etwa 250) hatte
ich nach einiger Zeit einen recht guten Überblick über die
wichtigsten Dinge: positive Wirkungen wie negative Neben- oder
Nachwirkungen, Vorsichtsmaßnahmen beim Gebrauch etc.
Da ich auch einmal ehrenamtlich bei einer Drogenberatung tätig war,
habe ich mich im November 2000 entschlossen eine Webseite
[ http://www.psykick.de/salvia.html ] über diese
Pflanze und deren psychoaktiven Hauptbestandteil Salvinorin A ins
Leben zu rufen. Seit diesem Zeitraum biete ich dort eine ständig
wachsende Fülle an Informationen an und stehe auch per e-Mail für
Fragen zur Verfügung.
Aus dem Blickwinkel dieses Erfahrungshintergrundes ist für mich das
Ergebnis der Abstimmung zu Salvia divinorum nur schwer
nachzuvollziehen.
Der Versuch Salvia divinorum dem BtMG zu unterstellen erscheint mir
aus folgenden Gründen unlogisch:
- Salvia divinorum bzw. der aktive Hauptbestandteil Salvinorin A
ist pharmakologisch gesehen eine sehr sichere Substanz. Selbst
gewollte oder ungewollte extreme Überdosierungen haben im
Normalfall weder physische noch psychische Schäden zur Folge.
Tierversuche und inzwischen viele Versuche von Menschen weisen
auf eine sehr geringe Toxizität hin. Auch Konsum über längere
Zeiträume hat keine nennenswerten Probleme erkennen lassen.
Einzig bei der Wahl der Umgebung sollte man bei höheren Dosierungen
einige Sicherheitshinweise beachten.
- Salvia divinorum hat bis jetzt in keinem Land zu relevanten
Problemfällen geführt und bei den wenigen Einzelfällen (z.B. in der
USA) an denen Salvia beteiligt gewesen war, spricht nicht viel
dafür, dass der Konsum dieser Pflanze die Hauptursache des
Problems war.
Drogenberatungsstellen verzeichnen trotz derzeitiger Legalität so
gut wie keine Problemfälle die durch Salviakonsum hervorgerufen
wurden. Selbst Jugendliche, die es mit dem Konsum zeitweise
übertrieben haben, berichteten maximal von dem Gefühl, dass
irgendwann alles etwas irreal/traumähnlich erscheint und man sich
nicht mehr so mit der Realität verbunden fühlt. Der Konsum wird
dann meist eingestellt, während dieser Zustand üblicherweise nach
einer Weile verschwindet und selten einen längeren Zeitraum anhält.
- Salvia divinorum ist eine sehr untypische Droge. Ihr fehlt das
übliche Berauschungsgefühl. Es werden selten wirklich positive
Emotionen hervorgerufen, wegen denen die meisten sonstigen Drogen
konsumiert werden. Sogar das Gegenteil ist der Fall. Die Wirkung
wird zwar nicht unbedingt als unangenehm, aber doch oft als seltsam
und verwirrend angesehen. Aus diesem Grund geht das psychische
Abhängigkeitspotential gegen Null. Auch eine physische Abhängigkeit
konnte noch nie beobachtet werden.
Die allermeisten Konsumenten belassen es sogar nach den ersten
Versuchen. Bei den wenigen Personen, die dann Salvia divinorum doch
öfters konsumieren setzt auch meist ein gewisser Sättigungseffekt
ein, so dass mit der Zeit nur noch wenige Erfahrungen mit oftmals
verringerter Stoffmenge durchgeführt werden.
Das Wirkungsspektrum schränkt die Konsumhäufigkeit also sogar ein.
- Salvia divinorum eignet sich nicht als Partydroge, verringert das
Interaktionsvermögen, ist teilweise verwirrend und daher für die
meisten Jugendlichen ziemlich "uncool". Somit limitiert sich der
mehrheitliche (oft seltene) Gebrauch auf Personen, die mit dieser
Substanz umgehen können und die für sie wichtige Erfahrungen bei
diesen "Reisen der Seele" sammeln.
Dass typische halluzinogene Drogen (LSD, Psilocybin, DMT) das
hervorrufen können, was man allgemein unter "mystischem Erleben"
versteht, wurde erst letztens wieder in einer angesehenen Studie
mit Psilocybin untermauert. Auch Salvia divinorum kann solche
tiefgreifenden Erlebnisse erzeugen und einem Dinge zeigen, die
wichtige Aspekte der persönlichen Lebensführung wie zum Beispiel
das Verhältnis zum Tod, die eigenen Ansichten über das Wesen der
Realität und des Bewusstseins berühren und beeinflussen können.
Eine Einschränkung der Verfügbarkeit stellt daher in meinen Augen
einen unnötigen Einschnitt in die Grundrechte auf Entfaltung der
Persönlichkeit und die Ausübung des persönlichen religiösen und
spirituellen Praktiken dar.
- Die Unterstellung unter das BtMG bzw. Aufnahme in die
Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung wird realistisch
betrachtet kaum zu einer nennenswerten Einschränkung des Konsums
führen. Der größte Anteil dürfte bereits heute nicht in "Headshops"
erworben, sondern per Internet bestellt werden. Bei der Auswahl
zählen dann eher das Erscheinungsbild des Internetshops und die
Preise als Ländergrenzen. Somit wird dann halt einfach aus dem
Ausland (Niederlande, Schweiz, Österreich) bestellt. Selbst
strengere Zollkontrollen dürften durch die weite Verfügbarkeit an
Extrakten wenig Aussicht auf Erfolg haben. Die Pflanzen selbst sind
unscheinbar und wenig bekannt. Das Verbot wäre somit praxisfern.
Solange Apotheken überhaupt keine Salvinorin A haltigen Präparate
liefern können bzw. die gerade in der Erforschung befindlichen
Aspekte dieser einzigartigen Substanzgruppe sich noch nicht in
Behandlungen und Rezepten niederschlagen können, ist die Aufnahme in
die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung in meinen Augen eine
Farce.
Diese Gründe lassen in meinen Augen ein (Quasi)-Verbot wenig sinnvoll
erscheinen.
Formulierungen im Ergebnisprotokoll wie:
".., um dem Gebrauch dieser halluzinogenen Droge Einhalt zu gebieten."
klingen eher nach bester Anti-Drogen-Propanganda, werden aber weniger
aus dem Munde der Ärzteschaft erwartet, die einen ideologisch neutralen
und wissenschaftlich fundierten Standpunkt einnehmen sollte. Wenn der
Kampf inzwischen schon einstimmig dem "Gebrauch" und nicht einmal mehr
dem Missbrauch angesagt ist, dann kann man nur noch verständnislos den
Kopf schütteln.
Leider wird bei diesem Vorgehen wieder das eigentliche Hauptanliegen
des Verbotes ins Gegenteil umgekehrt. Das eigentliche Hauptanliegen,
nämlich der Schutz der allgemeinen Gesundheit kann im Schatten eines
Abdrängens in die Illegalität nicht realistisch umgesetzt werden.
So wird es für Konsumenten (die es immer geben wird) schwieriger
verlässliche Informationen zu bekommen, Produkte zweifelhafter Qualität
werden verstärkt angeboten, in Problemfällen wird aus Angst vor
Strafverfolgung ein eventuell notwendiger Notarzt nicht verständigt,
Eltern sind nicht über die Experimente ihrer Sprösslinge informiert.
Obwohl Drogenverbote noch nie messbare Erfolge vorweisen konnten,
werden wieder und wieder deren negative Folgen für die Allgemeinheit
in Kauf genommen.
Wenn wirklich Sachverstand und Wissen die Abstimmung regiert hätte,
dann wäre man zu dem Schluss gekommen, dass von unbehandelten Blättern
der Salvia divinorum und "leichten" Extrakten praktisch keine Gefahren
für die Allgemeinheit entstehen. Anders sieht es hingegen mit immer
stärkeren Extrakten aus. Ab Extraktstärken von 15X-20X (15-20 fache
Wirkstoffmenge als in normalen Blättern) ist die Dosis ohne genaue
Waage nur noch sehr schwer verlässlich bestimmbar.
Somit kann man feststellen, dass junge, noch unerfahrene
Experimentalkonsumenten bei Verwendung von sehr starken Extrakten am
leichtesten ihre Gesundheit gefährden können. Die größte Gefahr ist
dabei übrigens das Verletzungsrisiko, dass durch den traumähnlichen
Zustand in Verbindung mit körperlicher Mobilität besteht (vielleicht
vergleichbar mit Schlafwandeln). Aber auch die Psyche ist sicher bei
den tiefgreifenden Erfahrungen, die man mit Zubereitungen ab 20facher
Stärke erreichen kann, zusätzlichen Belastungen ausgesetzt, die
im Übermaß gerade Jugendliche in ihrer störungsfreien Entwicklung
behindern könnten.
Daher wäre eine Beschränkung der Extraktionsstärke inklusive Kontrolle
der Umsetzung dieser Beschränkung seitens der Strafverfolgungsbehören
dem eigentlichen Ziel der Gesundheitssicherung wesentlich näher
gekommen. Solch eine Beschränkung wäre auch an Jugendliche vermittel-
und einsehbar und hätte damit wirklich präventiven Charakter. Diese
Beschränkung wäre wahrscheinlich auch von anderen europäischen Ländern
recht schnell übernommen worden, während mir ein Komplettverbot in ganz
Europa und somit eine stockende Verfügbarkeit eher unrealistisch
scheint.
Ich weiß nicht, in wie weit jetzt das "Kind schon in den Brunnen
gefallen ist", d.h. Beschlüsse gefasst wurden. Falls aber noch
Spielraum für eine Änderung der BfArM-Beschlüsse besteht, dann würde
ich es sehr begrüßen, wenn dieser sinnvoll und konstruktiv ausgenutzt
wird.
Der Text im Ergebnisprotokoll erweckt ehrlich gesagt eher den Anschein,
dass hier einfach nur den Wünschen der Politik genüge getan wurde, als
dass eine wissenschaftlich medizinische Einschätzung Grundlage des
Abstimmungsergebnisses war (zumindest würde ich diese gerne kennen).
Es ging wohl eher nach dem Motto: "Da gibt es eine psychoaktive
Substanz, die noch legal ist - das darf aus Prinzip nicht sein - lassen
Sie sich etwas einfallen wie wir dies unterbinden können."
Ich finde diese interessante Pflanze hat eine differenzierte und
fundiertere Beurteilung verdient. Ihr durchaus medizinisches Potenzial
als selektiver und effektiver kappa-Opiod Agonist, welches sicher noch
für eine Reihe von Medikamenten sorgen wird, macht es nicht notwendig,
diese ansonsten weitgehend ungefährliche Pflanze per Gesetz in die
Forschungsinstitute der Pharmafirmen zu verbannen.
Für Rückfragen zur Thematik "Salvia divinorum" stehe ich
jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
XXX
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